Die beiden führten viele Jahre eine gute Ehe, so schien es zumindest. Sie lebten in Neapel und bekamen ihre 5 gemeinsamen Kinder. Sicher waren die Zeiten damals nicht einfach. Es war die Zeit nach dem Krieg, sie hatten ja sogar während des zweiten Weltkrieges geheiratet, im Jahr 1934, wo die ganze Welt in Aufruhr war. Da waren die Teller oft leer und man hatte Mühe, die Familie zu versorgen. Jobs waren ebenfalls Mangelware. So etwas schweißt natürlich zusammen und man hofft gemeinsam, dass die Zeiten besser werden und dass die Familie gut versorgt ist. So war es sicher auch bei den beiden. Sie waren bereits über 20 Jahre verheiratet, als sie dann in den „goldenen 1950ern“ nach Rom übersiedelten. Sicherlich hofften sie dort auf ein leichteres Leben, als sie es in Neapel hatten.

Wir vermuten, dass so viele Ehejahre natürlich ihre Spuren hinterlassen. Die Leidenschaft lässt langsam nach, man gewöhnt sich aneinander. Aber gute Ehen finden immer Wege, gut und liebevoll zu bleiben. Man sagt ja, viel reden hilft und viele schöne gemeinsame Erinnerungen, über die man sich dann abends austauschen kann. Da die zwei so viele Jahre zusammenblieben, gehen wir davon aus, dass sie auf ihre Art glücklich zusammen waren. Umso verwunderlicher, dass man dann im hohen Alter beschließt, sich doch noch zu trennen. Da muss dann schon etwas vorgefallen sein, was so schlimm war, dass keine weitere Chance für die Ehe besteht. Aber was? Nach 77 Ehejahren? Und warum war es ausgerechnet Antonio, der mit seinen 99 Jahren die Scheidung forderte?

Es war tatsächlich die Schuld von Rosa. Antonio hatte nämlich etwas entdeckt, was ihn so verletzte, was ihn so enttäuschte, dass er keinen weiteren Tag mehr mit dieser Frau verbringen wollte. Er hatte die Nase so voll, dass er wirklich zum Gericht ging und die Scheidung beantragte. Seine Frau Rosa soll ihn angefleht haben, es sich doch bitte anders zu überlegen, aber der Mann blieb hart. Aber was hatte er entdeckt? Wenn man so lange zusammen ist, da kann es doch gar nichts mehr geben, was einen so fertig macht, was die Liebe so ins Wanken bringt, vor allem nicht, wenn man praktisch sein gesamtes Leben gemeinsam verbracht hat? Oder gab es da tatsächlich etwas, was Rosa ihrem Antonio all die Jahre verschwiegen hatte? Ja, das gab es. Ein Geheimnis, dass sie über 60 Jahre bewahrt hatte.

An einem herrlichen Sommertag, Rosa war nicht zuhause, räumte Antonio das Schlafzimmer auf. Vielleicht wollte er es renovieren, für seine Frau schöner gestalten, das wissen wir nicht genau. Allerdings ist bekannt, dass er unter anderem die Schränke ausräumte. Und im Nachtschränkchen seiner Frau machte er dann einen Fund. Einen Fund, der ihn über die Maßen erschreckte und vor allem sehr enttäuschte. Als er das Schränkchen seiner Frau ausräumte, fielen ihm einige alte Briefe in die Hände. Es waren Briefe aus den 1940er Jahren, damals wie heute hatte man ja auf Briefe im oberen Bereich das Datum notiert. Was in diesen Briefen stand, trieb dem alten Mann das Blut ins Gesicht, so wütend wurde er. Aber was waren das für Briefe, die ihn so zornig werden ließen?